Mittwoch, 1. März 2023

Florian Schiller (40), CSU-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, im Interview mit den Dachauer Nachrichten

Herr Schiller, wie lange hat es gedauert, bis Sie sich vom letzten Kommunalwahlergebnis erholt haben?                 

Florian Schiller: Klar, das OB-Wahlergebnis war mit 14 Prozent ein Tiefschlag. Das kann man nicht anders bezeichnen. Im Stadtrat sind wir zumindest bei 26 Prozent gelandet, haben aber auch Sitze verloren. Das ist nicht das, wo wir sein wollten und wo wir in Zukunft sein wollen. Das ist völlig klar.

„Opposition ist Mist“ hat Franz Müntefering mal gesagt. Hat er also recht?
    Für uns gilt: Wir haben das Ergebnis der Kommunalwahl angenommen und machen keine Fundamentalopposition. Das ist weder das, was die Bürger wollen, noch das, was die Kommune voranbringt.

Beruht diese Erkenntnis auf der Analyse Ihres Kommunalwahlkampfs, den viele als zu polarisierend empfanden?
    Der OB ist ein sehr populärer Amtsinhaber, das zeigt sein astronomisches Wahlergebnis von 76 Prozent. Unsere Strategie, ihn inhaltlich anzugreifen – persönlich haben wir ihn übrigens nie angegriffen! – hat daher offensichtlich nicht funktioniert. Unsere Kritik hat sich eher ins Gegenteil verkehrt.

Die linke Mehrheit im Stadtrat, vor der Sie explizit gewarnt hatten, wurde dann ja auch Realität.
    Das stimmt. Wobei das Interessante ist: Das Links-Bündnis oder wie auch immer Sie es nennen wollen, funktioniert bei den gewichtigen Themen nicht. Einig sind sich SPD, Grüne und Bündnis für Dachau eigentlich nur in der Verkehrspolitik, also beispielsweise in der Frage, wie viele Parkplätze zugunsten von Fahrradwegen weggenommen werden. Und es funktioniert beim Thema Bauen. Stichwort: der vor einem Jahr beschlossene Konsens zur Baulandentwicklung, der meines Erachtens eher ein Konsens zur Bauland-Nichtentwicklung ist.

Auch in Haushaltsfragen gab es zwischen SPD, Grünen und Bündnis keine Differenzen.
    Wenn es um die Aufblähung der Verwaltung geht, sind sie sich einig. Genau wie bei der Verteilung der Posten, was man gleich zu Beginn bei der Wahl der Bürgermeister sehen konnte...

Wo waren sich Rot, Grün und Bündnis dann nicht einig? Und wäre das nicht eine Chance für Ihre CSU?
    Bei großen Fragen wie zum Beispiel beim Zehn-Minuten-Takt oder beim MD-Gelände waren sie nicht einer Meinung. Da kam es immer auf die CSU an. Und das ist auch unsere Botschaft: Wir verschließen uns nicht. Dinge, die vernünftig sind für die Stadt, die tragen wir mit.

Gibt es Themen, wo Ihre Gesprächsbereitschaft endet?
    Wenn es um die Schaffung von immer neuen Stellen in der Verwaltung geht, da gibt es für uns ganz klar eine rote Linie. 

Das heißt, unter einem CSU-Oberbürgermeister hätte die Stadt keine „Mobilitätsmanagerin“ eingestellt?
    Nein. Bis jetzt ist uns auch noch nicht ganz klar, was diese Stelle bringen soll – außer Berge von Papier...

Wie könnte denn eine Zusammenarbeit mit SPD, Grünen oder Bündnis aussehen?
    Ich würde mir wünschen, dass wir es in der Zukunft einfach hinbekommen, uns bei den großen Fragen zu verständigen.

Wie damals bei der fraktionsübergreifenden Haushaltskonsolidierungsgruppe?
    Ja, nur dass von den Erfolgen dieser Gruppe beziehungsweise den Einsparungen ein Jahr später leider nicht mehr viel übrig ist. Mir geht es aber eigentlich wirklich um eine längerfristige Verständigung, über die nächste Wahl hinaus. Denn für Themen wie die Sportstättenentwicklung oder den Wohnungsbau braucht es eine stabile Mehrheit, unabhängig vom jeweiligen Oberbürgermeister. Wir dürfen uns nicht immer im Klein-Klein verfransen oder alles stets auf die lange Bank schieben!

Haben Sie ein Beispiel für diese lange Bank?
    Der Sport! Wir hätten längst ein Eisstadion. Aber 2017 hat die SPD plötzlich mit neuen Ideen und Planungen die alten Beschlüsse erst mal gestoppt. Damit haben wir zwei, drei Jahre verloren. Und heute können wir uns das Eisstadion nicht mehr leisten. Auch bei der Sportstättenentwicklung für ASV und TSV muss man leider sagen: Die Hartmann-Koalition hatte da bisher einfach keinen Zug, so wird das nix.

Wieso hat denn die CSU in all den Jahren, die sie auf dem Rathaus-Chefsessel saß, nicht angepackt?
    Das Argument lasse ich nicht gelten. Hartmann ist seit 2014 OB, seit drei Jahren hat er eine eigene Mehrheit. Da will ich mir nicht mehr anhören, was die CSU versäumt hat. Ein sehr wichtiges Thema derzeit ist das Wohnen. Schafft es die Stadtpolitik, dass man sich auch in fünf oder zehn Jahren noch ein Leben in dieser schönen Stadt leisten kann? Bundesbauministerin Klara Geywitz will, dass in Deutschland jährlich 400 000 neue Wohnungen gebaut werden. Dazu muss auch Dachau seinen Beitrag leisten. Aber den leisten wir nicht! Wir gehen da gerade in eine völlig falsche  Richtung.

Was läuft falsch?
    Natürlich wird Dachau das Zuzugs- und Wohnungsknappheitsproblem im Großraum München nicht allein lösen. Was ich aber erwarten würde, ist, dass gerade ein SPD-Bürgermeister das Thema konstruktiv angeht. Denn klar ist: Es wird zu wenig gebaut, die Nachfrage nach Wohnungen steigt, also werden die Mieten explodieren. Das wird DIE soziale Frage des Jahrzehnts! Da geht es um Sozialpolitik vor Ort!

Was konkret sollte der OB da tun?
    Er könnte doch einen Wohnungspakt Metropolregion initiieren, zusammen mit seinem Parteifreund Reiter in München. Da fragt man dann: Wie viele Wohnungen brauchen wir? Wie viele Wohnungen haben wir? Und wer kann welchen Beitrag leisten? Dass wir dabei viel sozialen Wohnungsbau benötigen, ist übrigens unstrittig. Was wir aber auch brauchen, ist privater Wohnungsbau. Es ist ein Irrglaube zu meinen, der Staat könne alles lösen.

Ist Dachau ein gutes Pflaster für Investoren?
    Am Ende geht es doch um die Frage: Habe ich ein Klima in meiner Verwaltung, das Dinge ermöglichen will? Oder habe ich ein Klima, in dem es eher ums Blockieren geht? Ein Beispiel: Ein Unternehmer berichtete mir kürzlich, dass er sein gewerblich genutztes Grundstück gern umnutzen würde, für ein anderes Gewerbe. Diese Nutzungsänderung zu genehmigen, dafür hat die Verwaltung ein Jahr gebraucht! Hier wird es jemand schwer gemacht, Geld zu investieren. Wir als CSU stehen für Weiterentwicklung.

Apropos: Viel entwickelt werden soll ja auf dem früheren MD-Gelände. Sind Sie zufrieden mit dem Sachstand des Projekts?
    Ich denke, das Bild, das wir als Stadt in dem bisherigen Prozess abgegeben haben, war nicht gut. Manches waren Stilfragen. Aber vor allem hat es sehr lange gedauert, bis man einen politisch tragfähigen Kompromiss zur Frage, wie viel Quadratmeter Wohnfläche man sich vorstellen kann, hinbekommen hat. Den Kompromiss haben übrigens SPD und CSU finden müssen, weil sich Grüne und Bündnis für Dachau aus diesem Konsens ausgeklinkt haben. Ohne diesen Kompromiss wäre das Projekt gegen die Wand gefahren, davon bin ich überzeugt.

Der Eindruck nach außen war, dass in den Jahren 2020 und 2021 in puncto MD-Gelände einfach gar nichts passiert ist.
    Hinter den Kulissen wurde sehr viel geredet. Aber dabei fehlte es unserer Meinung nach an politischer Führung und Gestaltungswillen. Bei so einem wichtigen Thema reicht bloßes Moderieren nicht, Anpacken ist gefragt! Und auch heute muss man klar sagen: Das Projekt ist noch nicht umgesetzt. Wenn ich mir so manche Wortbeiträge oder Veranstaltungen beispielsweise des Bündnis anschaue, habe ich eher den Eindruck, die wollen es verhindern.

2026 wird wieder gewählt. Wie und wann werden Sie in den Wahlkampf einsteigen?
    Es gibt noch keinen finalen Zeitplan. Wir werden aber auf alle Fälle gründlich überlegen, ob wir einen CSU-Kandidaten aufstellen, oder eine CSU-Kandidatin, oder ob wir uns für einen von mehreren Gruppierungen getragenen Kandidaten entscheiden. Ich kann mir grundsätzlich gerade viele Optionen vorstellen. Die verschärften Überlegungen dazu dürften 2024 starten.

Wenn wir gerade von Zeitplänen sprechen: Wann schwimmen Sie mit Ihren dreijährigen Kindern im neuen Hallenbad?
    Ich fürchte, sie werden leider woanders schwimmen lernen müssen (lacht). 

Aber im Ernst, wie geht’s weiter mit dem Bau?
    Ich weiß es nicht, es werden uns ja keine Termine mehr genannt. Was wir jetzt aber als allererstes brauchen, ist eine knallharte Bestandsaufnahme, in welchem Zustand dieser halbfertige Bau ist. Und je nach dem, wie die Antwort auf diese Frage ausfällt, müssen wir dann entscheiden. Ich bin gespannt!

Verstehe ich Sie gerade richtig: Wenn die Bestandsaufnahme ergibt, das Bad ist nicht mehr zu retten, dann steht auch ein Abriss im Raum?
    Es gab immer mal wieder Gebäude in der Geschichte, wo man gemerkt hat, die sind nicht zu retten und die dann abgerissen wurden. Aber seriös können wir darüber wirklich erst sprechen, wenn wir alle Fakten auf dem Tisch haben.

Hand aufs Herz: Ist das Ganze nicht furchtbar peinlich für Dachau?
    Natürlich. Aber wir alle – das gilt für OB, Werkleiter und Stadträte gleichermaßen – haben uns von bunten Bildern in dieses Projekt reinreden lassen. Wir haben uns von den geschwungenen Linien und schönen Bögen blenden lassen. Und leider einfach nicht gesagt: Stopp, das ist nicht das, was wir wollen, wir wollen einfach nur einen schnöden Ersatz für das alte Bad. Für die Zukunft ist das eine Lehre, die hoffentlich keiner mehr vergisst.

Interview:
Stefanie Zipfer